Bertold Kamm erinnert im Josefsheim an dunkle Kapitel der deutschen Vergangenheit
"Je mehr Menschen mit Zivilcourage ein Land hat, umso weniger Helden braucht es", betonte Bertold Kamm, früherer Vizepräsident des Bayerischen Landtags, am Samstagabend im Josefsheim. Bei einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung erinnerten SPD, DGB und AWO an das Ermächtigungsgesetz des Jahres 1933, als die Nationalsozialisten diese drei Organisationen verboten.
Helmut Plommer aus Waldsassen und Edeltraud Franz aus Reuth sangen zum Auftakt das Solidaritätslied. Mit Gedichten und Erzählungen bereicherten Albrecht Vornberger (DGB) und die stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Hannelore Bienlein-Holl den Abend. Bienlein-Holl freute sich über den starken Besuch und blickte 75 Jahre zurück, als die Gewerkschaften, die Arbeiterwohlfahrt und die Sozialdemokratische Partei vom Naziregime verboten wurden. Begrüßen konnte sie unter anderem Bürgermeister Roland Grillmeier, stellvertretenden Landrat Günther König, Pfarrerin Sonja Schobel und Rektor Josef Reindl von der Otto Wels-Hauptschule.
SPD-Landtagskandidat Alfred Schuster verlas im Namen des verhinderten AWO-Landesvorsitzenden Dr. Thomas Beyer ein Grußwort. Darin betonte Beyer, dass die Haltung der damaligen Politiker sowie der AWO- und DGB-Funktionäre noch heute Vorbild und Verpflichtung sei. Schuster erzählte, dass sein Vater damals dreimal auf der Flucht gewesen sei. Die Gäste konnten dann einen Originalausschnitt aus der Rede des SPD-Abgeordneten Otto Wels hören: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht", sprach Wels 1933 im Deutschen Reichstag.
Dank an Hauptschule
AWO-Kreisvorsitzender Erich Köllner betonte, dass die AWO damals überwiegend von Frauen getragen worden sei. Weiter erinnerte er an Johanne Kirchner, die am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. "Ihr ganzes Herz galt der Arbeiterwohlfahrt, dies büßte sie mit ihrem Leben", so Kellner. "Werdet glücklich und seid tapfer, es kommt eine bessere Zukunft für alle", so schrieb Kirchner in ihrem letzten Brief. Bertold Kamm, Landesvorsitzender des Bundes "Widerstand und Verfolgung" und ehemaliger Landtagsvizepräsident, mahnte: "Wer sich des Vergangenen nicht erinnert, ist verurteilt, dies noch mal zu erleben." Kamm dankte der Mitterteicher Hauptschule, die an den "großen Mann" Otto Wels erinnere. Kritik übte der 82-Jährige an jenen, die heute noch Dachau verniedlichten und behaupteten, die Deutschen hätten von nichts gewusst. "Halt"s Maul, sonst kommst nach Dachau", habe es schon damals geheißen. "Also wussten die Leute, was da vor sich ging." Kamm listete die Namen jener 16 Politiker auf, die damals gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten. Dann berichtete Kamm, wie er mit 17 Jahren verhaftet worden sei. Eine gewisse Mitschuld der Menschen an den Verhältnissen damals sei nicht zu leugnen: "Die Menschen wussten, was auf sie zukommt. Überall saßen Gegner der Demokratie." Der Antisemitismus dürfe sich auf der Welt nie mehr wiederholen.
Kamm erinnerte an den einstigen Präsidenten der evangelischen Kirche von Hessen und Nassau, Martin Niemöller. Der Pastor und Widerstandskämpfer saß von 1938 bis 1945 in KZ-Haft. Kamm zitierte Niemöller: "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich nicht protestiert, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestierte."
Stehende Ovationen
Abschließend trug Bertold Kamm gemeinsam mit seiner Gattin Ruth ein Lied mit nachdenklichen Texten zu Auschwitz und Buchenwald vor. Mit zum Teil stehenden Ovationen bedankten sich die Besucher für Kamms Auftritt.
aus oberpfalznetz.de Text: Josef Rosner